*THIS IS NOT THE TRUTH,
BUT MULTIPLE ONES.


Actually, this is a research project by me, Maura Charlie Steinbach.
As part of my bachelor’s thesis, I explored the feminist debate around sex work through a multiperspective lens. At the center of the project are sketchnotes created from interviews with people directly involved in or affected by the industry. I talked to sex workers, activists, social workers and politicians. The goal was to visually document facettes of a discourse shaped by contradiction, emotion, and structural complexity, without claiming the one single fucking truth

Sketch n Toes Frau Anna Schmidt
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„Meine Kreativität ist meine Superkraft”, sagt Frau Anna Schmidt im Gespräch. „Die Hoffnung, Dinge zu erschaffen und zu bewegen, hält mich am Leben.“ Ohne Kontext mag diese Aussage kitschig klingen, doch im Hinblick auf ihr Leben, in dem ein schwerer Schicksalsschlag auf den anderen folgte, ergibt sie in all ihrer Dramatik Sinn. Frau Anna Schmidt ist Aussteigerin aus der Prostitution, heute freischaffende Radiomoderatorin und Performance-Künstlerin. Ihre Geschichte ist ein schonungsloser Realitäts- und Privilegiencheck. Ihre Biografie ist geprägt von systematischen Grenzverletzungen, Traumata und wiederkehrenden Abhängigkeitsverhältnissen. Sie schildert sexualisierte Gewalt durch ihren Stiefvater und beschreibt eine Erfahrung, die in ihrer Intensität an Freiheitsberaubung grenzt. Ihr Lebensweg zeigt eine wiederholte Abfolge emotionaler und finanzieller Abhängigkeiten. Ihre Offenheit macht sehr betroffen und zeichnet ein exemplarisch sehr negatives Bild von Prostitution. Bei Frau Anna Schmidts Lebensgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass sie eine klar abolitionistische Haltung vertritt. Sie betont, dass Prostitution keine Form von weiblichem Empowerment, sondern eine strukturelle sexualisierte Gewalt darstellt. Sie möchte gezielt auf die Schattenseiten der Prostitution aufmerksam machen und in ihren Erfahrungen ernst genommen werden. Trotz der Schicksalsschläge sagt Frau Anna Schmidt, dass sie Glück gehabt hat. Weil sie überlebt hat. Gleichzeitig fällt ihr ein beruflicher Wiedereinstieg extrem schwer. Ihr größter Wunsch ist, in ihrem Schmerz ernst genommen zu werden.
Sketch n Toes Goldie
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„Soll ich hier meinen Nuttennamen hinschreiben“ fragt Goldie mich, als die Einverständniserklärung für das Interview vor ihr liegt. „Nuttenname“, „Nuttenmama“, „Nuttenhierarchie“. Goldie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie über ihren Beruf, die Sexarbeit, spricht. Sie erzählt von ihrem Drogenproblem, ihrer Angst in den „Frauenknast“ zu kommen und über die „Pornstar Experience“. Ähnlich offensiv wirbt sie auf den einschlägigen Online-Portalen für Sexarbeit. Als Transfrau, die eine geschlechtsangleichende Operation hinter sich hat, wirbt sie mit ihrer „Neo-Pussy“ und damit, aus eigener Erfahrung zu wissen, was einem Mann gefällt. Sie berichtet von ihrem Werdegang, erst eine Ausbildung zur Friseurin gemacht zu haben, davon, wie sie schwarz für Mindestlohn geputzt hat und dann als Escort anfängt. Goldie nimmt einige Illusionen, die man von der Sexarbeit haben könnte. Sie ist nicht als Sexarbeiterin angemeldet und lebt in ständiger Angst vor dem Finanzamt. Sie empfängt ihre Kunden zu Hause, ohne ein Sicherheitsnetz, falls beim Treffen etwas passiert. Sie erzählt mir von dem gesellschaftlichen Druck, den sie empfindet, ins klassisch weibliche Schönheitsideal zu passen. Sie erzählt mir von Anfeindungen, die sie regelmäßig im Alltag aufgrund ihrer Transidentität erfährt. Und sie kritisiert die links-queere Sexarbeitsbubble, die ihrer Meinung nach realitätsfern ist. Goldie wirkt sehr abgeklärt, fast schon distanziert von ihrem Beruf. Es ist halt ein Job, wie jeder andere und sie wolle auch nicht, dass politisch so viel darüber diskutiert wird.
Sketch n Toes Helena Hetaira
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Helena Hetaira ist das „Girl-Next-Door”. So vermarktet sie sich zumindest auf ihrer Website. High-Heels und das kleine Schwarze sind für sie auf Dates ein No-Go, während ein lockeres Treffen in der Kneipe an der Ecke oder ein zwangloser Spaziergang genau ihr Ding sind. Einmal war sie sogar mit einem Kunden im Phantasialand. „Das hat sich wirklich empowernd angefühlt,“ erzählt sie, „Sich auf der Achterbahn die Seele aus dem Leib zu schreien und dafür auch noch bezahlt zu werden.“ Mit Helena rede ich über die Kreativität in ihrem Beruf, dem Escort. Sie hat früher im Produktmanagement gearbeitet und weiß daher, dass jedes gute Produkt eine Geschichte braucht. Darauf legt sie wert. Das Produkt, das Helena anbietet ist ihre persönliche Zeit. Und sie sieht es in ihrer Verantwortung, dass diese Zeit für ihren Kunden schön gestaltet ist. Storytelling ist für sie in ihrem Beruf essenziell, da sie keine Lust auf die stereotypische Escort-Rolle hat. Sie habe keine Lust, jedes Wochenende in ein Wellness-Hotel zu fahren. Es gibt genug Escorts, die diese „klassischen“ Dates anbieten. Sie hat eine Nische für sich gefunden, die Spaß macht und ihr kreative Freiheit bietet und vermarktet diese erfolgreich. Helena berichtet im Gespräch auch von emotionalen Grenzüberschreitungen. Viele ihrer Kunden verlieren sich so in der von ihr erschaffenen Geschichte, dass sie klare Grenzen setzen muss. Wenn sie jemanden ein bis zweimal daran erinnern muss, dass keine echte Freundschaft und auch keine potenzielle Partnerschaft besteht, findet sie das noch in Ordnung. Beim dritten Mal zieht sie die Grenze. Diese emotionalen Grenzüberschreitungen sehen ganz unterschiedlich aus. Als Beispiel beschreibt Helena eine Situation beim Einchecken an einer Hotelrezeption. Manche Hotels benötigen dafür ihren Personalausweis, auf dem ihr Klarname steht. Da erwarte sie den nötigen Respekt vom Kunden, einen Schritt zurückzutreten und ihre Privatsphäre zu wahren. Körperliche Grenzüberschreitungen erlebt sie in ihrem Beruf kaum, sagt sie. Sie erlebe weit mehr Belästigung außerhalb der Arbeit im Alltag. Helenas Perspektive zeigt eine eher privilegierte Seite der Sexarbeit. Helena hat Zeit sich mit den politischen Dimensionen ihrer Arbeit auseinanderzusetzen, arbeitet als Escort nicht von ihrer Privatwohnung aus und kann sich ihre Kunden aussuchen. Sie steht stellvertretend für eine kleine, bessergestellte Minderheit der Debatte. Doch dessen ist sie sich bewusst. Auf die Frage, ob sie noch Anmerkungen für die Recherche hat, antwortet sie, dass die Perspektive von Aussteiger*innen essenziell wären.
Sketch n Toes Tanja
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Tanja ist ehemalige Prostituierte und arbeitet heute als Sozialpädagogin in der aufsuchenden Straßensozialarbeit auf den Dortmunder Straßenstrichen. Sie spricht sehr offen über ihre Erfahrungen, ihre Biografie und die emotionalen Prozesse, die mit ihrer Zeit in der Prostitution verbunden sind. Besonders einprägsam war die kognitive Dissonanz, die sie während ihrer Zeit in der Prostitution ständig begleitete. Obwohl sie sich selbst immer als Feministin verstanden habe, blieb sie über Jahre hinweg in patriarchalen, sexistischen Strukturen verhaftet. „Bei mir ist das anders“, denkt sie. Sie berichtete von Zwangsverhältnissen und der Entmenschlichung durch Freier: Man werde nur als Körper wahrgenommen, nicht als Person mit Gefühlen. Man ist in ihren Augen eine Maschine, die funktionieren muss. Die Folgen waren unter anderem körperliche Dysmorphie, starke Selbstwertprobleme und dissoziative Zustände während des Geschlechtsverkehrs. Diese Dissoziation ist eine mentale Abspaltung, von der viele Prostituierte und Sexarbeitende berichten, um die Situation erträglicher zu machen. Tanjas Einstieg in die Prostitution erfolgte aufgrund von finanziellen Zwängen. In ihrer Kindheit war das Geld knapp, ihre Mutter alleinerziehend, das Einkommen durch Hartz-IV-Regelungen stark limitiert. Sie erzählt von ihrer Perspektivlosigkeit nach der Schule. Normalerweise würden junge Erwachsene jetzt reisen, studieren, sich selbst und die Welt kennenlernen. Doch all das schien für Tanja ohne finanzielle Mittel unerreichbar. Also meldete sie sich auf den einschlägigen Plattformen an und bot zunächst nur Oralsex und Fußerotik an, ein Versuch Grenzen zu setzen. Mit der Zeit blieben bei diesem limitierten Angebot die Anfragen aus und sie sah sich gezwungen, Geschlechtsverkehr anzubieten. Der Einstieg in die Prostitution erfolgte also schleichend. In der Anfangszeit arbeitete sie parallel zur Prostitution während eines Freiwilligen Sozialen Jahres im Altenheim. Dieses Doppelleben wurde zu einer zunehmenden Belastung. Mit den Jahren nahm der Ekel vor den Freiern zu, ebenso der Wunsch nach körperlicher Kontrolle und emotionaler Distanz. Um Berührungen zu vermeiden, wechselte sie in den BDSM-Bereich, betäubte sich teilweise mit Alkohol und kämpfte mit psychischen Belastungen. Zudem kommt die ständige Angst vor dem Finanzamt. Sie arbeitet ohne Anmeldung, also ohne Steuern zu zahlen. Die Abwägung, zwischen höherem Verdienst und dem Risiko erwischt zu werden, ist eine Existenzielle. Tanja war schlicht auf das Geld angewiesen und nahm die Gefahr juristischer Konsequenzen einfach in Kauf. Ende 2022 lernte sie ihren jetzigen Partner kennen. An Silvester desselben Jahres traf sie die bewusste Entscheidung auszusteigen. In einem persönlichen „Ritual“ löschte sie um Mitternacht zum Jahreswechsel zusammen mit ihrem Partner ihre Accounts und stieg final aus. Der Schritt fiel trotz der schweren emotionalen Belastung nicht leicht. Die Prostitution war über vier Jahre lang nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern auch ein Teil ihrer Identität geworden. Ihr stabiles Supportsystem half ihr jedoch, nicht rückfällig zu werden. Trotzdem sei es nicht einfach gewesen, sich an den neuen Arbeitsalltag mit beträchtlich geringerem Einkommen und geregelten Arbeitszeiten zu gewöhnen. Sie habe mehr als einmal über einen Wiedereinstieg in die Prostitution nachgedacht.
Sketch n Toes Madame Kali Dreadful
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Madamé Kali Dreadful strahlt eine ruhige Atmosphäre aus. Im Gespräch nimmt sie sich viel Zeit, und antwortet langsam und betont. Sie spricht, als wäre sie es gewohnt, ihre Sätze zu Ende zu bringen. Madamé Kali Dreadful sieht sich nicht als klassische Sexarbeiterin zu sein. „Ich sehe mich nicht als Sexarbeiterin (…) weil ich keinen Sex mit meinen Gästen habe,“ sagt sie. Auf die Frage, ob es sich beim Beruf der Domina nicht doch um Sexarbeit handele, weil es primär um die sexuelle Befriedigung der Kund*innen geht, antwortet sie bestimmt. Ihr sei der Begriff zu allgemein gefasst und wünscht sich eine dezidiertere Diskussion über die verschiedenen Berufe der Branche. Ein weiterer linguistischer Unterschied, ist, dass Kali nicht von „Kunden“, sondern von „Gästen“ spricht. Sie sieht ihre Arbeit nicht als reine Dienstleistung, sondern auch als eine soziale Verantwortung den Personen gegenüber, die zu ihr kommen. Außerdem ist die Beziehung, die sie zu ihren Gästen eingeht, zu intim, als dass sie rein dienstlicher Natur sein könnte. Kali guckt realistisch auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Ansicht der Sexarbeit. Filme, wie 50 Shades of Grey, die BDSM thematisieren, wären in den 80ern undenkbar gewesen. „Die Leute brauchen Zeit,“ sagt sie. „Ich führe die Debatte bis ich ins Gras beiß’. “
Sketch n Toes Tanja
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Simone Kleinert ist Gründerin und Vorsitzende des Bundesverbands Nordisches Modell (BNM), der sich für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland einsetzt. Dieses Modell kriminalisiert den Kauf sexueller Dienstleistungen, nicht jedoch die Sexarbeitenden selbst, mit dem Ziel, die Nachfrage zu reduzieren und Menschenhandel zu bekämpfen. Kleinert zeigt eine ausgeprägte Aktivismushaltung und vertritt ihre politische Position mit großer Entschlossenheit. Auf eine Gesprächsanfrage wurden umfangreiche Informationsmaterialien zu Prostitution und deren Mythen übermittelt. Ihre Argumentationen wirkten sehr professionell, gleichzeitig erschien ihr Zugang zum Thema eher abstrakt und intellektualisiert, beispielsweise durch die häufige Verwendung des Begriffs „prostitutiver Akt“. Eigene Erfahrungen in der Sexarbeit verneinte sie und bezeichnete dies als Vorteil, um Retraumatisierung zu vermeiden. Der Bundesverband Nordisches Modell vermittelt insgesamt einen strukturierten, aber wenig kompromissbereiten Eindruck. Es hat fast den Anschein, als würde sich der Verband in einer Art idiologischen Krieges befinden, der sehr dogmatisch geführt wird.
Sketch n Toes Madame Kali Dreadful
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Lena Teschlade ist SPD-Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag für den Wahlkreis Köln IV. Sie studierte Soziale Arbeit in Köln und war viele Jahre für die Organisation SOLWODI tätig, wo sie unter anderem eine Zweigstelle mit aufbaute. Ihre serbischen Sprachkenntnisse und ein Studienaufenthalt in Bosnien und Serbien ermöglichten ihr tiefe Einblicke in die Lebensrealitäten von Frauen, die durch Menschenhandel nach Deutschland gelangten. Ihre politische Haltung zu Sexarbeit ist differenziert und von ihrer praktischen Erfahrung geprägt. Den Begriff „Sexarbeit“ lehnt sie ab, da er ihrer Meinung nach eine falsche Aufwertung suggeriert, wie Ausbildungsmöglichkeiten und gesellschaftlicher Anerkennung. Jedoch lehnt sie den Begriff „Prostitution“ aufgrund der politischen Konnotation ab, nutzt ihn mangels einer Alternative jedoch trotzdem. Lena Teschlade befürwortet das Nordische Modell, sieht aber die damit verbundenen Spannungsfelder. Besonders die Trennung zwischen selbstbestimmter Sexarbeit und Ausbeutung sei in der Realität oft schwer zu ziehen. Herkunftsländer, Migration und sozioökonomische Aspekte seien zu große Faktoren in dieser Hinsicht. Die Debatte sei komplexer, als es auf den ersten Blick erscheine: Rassismus, Klassismus und soziale Ungleichheiten müssten stärker berücksichtigt werden. Der Wechsel in die Politik war für sie ein bewusster Schritt, um strukturelle Veränderungen anzustoßen. Ihre Perspektive ist pragmatisch und geprägt von einem tiefen Verständnis für die Lebensumstände betroffener Frauen.
Sketch n Toes Tanja
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RAHAB ist ein Hilfs- und Beratungsangebot des SkF Köln, dem Sozialdienst katholischer Frauen e. V. Luisa Lehmann vertritt klare Positionen zur Sexarbeitsdebatte. Als erfahrene Streetworkerin auf dem Kölner Straßenstrich und in Bordellen bringt sie eine stark praxisbezogene Perspektive ein und beteiligt sich aktiv an politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Karla Seidel und Britta Dierke arbeiten auf dem geschützten Straßenstrich an der Geestemünder Straße sowie im Café Auszeit, einer niedrigschwelligen Anlaufstelle für Sexarbeitende. Beide verfügen über langjährige Erfahrung in der aufsuchenden und beratenden Arbeit mit Menschen in der Sexarbeit. Als zentrales Problem der Sexarbeit wird die Stigmatisierung benannt. Diese zieht sich wie ein roter Faden durch das Gespräch. Immer wieder werden Schwierigkeiten mit Behörden, insbesondere mit dem Finanz- und dem Arbeitsamt, thematisiert. Der Umgang mit Sexarbeit ist häufig von Misstrauen, Unwissenheit und moralischer Bewertung geprägt. Luisa beschreibt die gesellschaftliche Debatte als ermüdend und zäh. Unterschiedliche feministische Positionen, insbesondere radikal- und liberalfeministische Argumentationen, empfindet sie als weltfremd im Vergleich zur alltäglichen Realität, in der sich ihre Klient*innen bewegen.
Sketch n Toes Madame Kali Dreadful
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LOOKS e.V. bietet niedrigschwellige, alltagsnahe Unterstützung für männliche und trans Sexarbeitende, beispielsweise durch Streetwork, Beratungen bei bürokratischen Angelegenheiten und eine offene Anlaufstelle. Fabian, der Leiter von LOOKS e.V. betont immer wieder, dass sie einen Safe Space für die Sexarbeiter*innen bieten möchten. Zusätzlich zu emotionaler Unterstützung bieten sie praktische Hilfen wie eine Duschmöglichkeit, eine postalische Meldeadresse und drei warme Mahlzeiten pro Woche. Die Arbeitsweise des Vereins ist stark auf direkte Bedürfnisse ausgerichtet und pragmatisch-freundschaftlich ausgelegt. Die inhaltliche Einschätzung zum Nordischen Modells war eindeutig, Fabian bezeichnete es als „Gaga-Gesetz“, das an der Realität vorbeigehe. Johannes, einer der Sozialarbeitenden wirft ein dass, Menschenhandel und Zwangsprostitution bereits verboten seien, ein pauschales Sexkaufverbot sei weder hilfreich noch realitätsnah. Ein bemerkenswerter Aspekt im Gespräch war die Differenzierung zwischen mann-männlicher und weiblicher Sexarbeit. Laut LOOKS e.V. liegt der größte Unterschied bei der politischen Aufgeladenheit und dem sexistischen Machtgefälle, die bei der weiblichen Sexarbeit für emotionalisierte Debatten sorgen. Zuhälterei käme bei männlichen Sexarbeitern kaum vor, dadurch arbeiten sie unabhängig und die Debatte über Abhängigkeiten und Zwänge wäre hinfällig. Männliche Sexarbeit würde in einer kleinen Bubble stattfinden. Sie haben keine große Lobby und ist in der politschen Debatte quasi unsichtbar, jedoch habe sie mit gesonderten Problemstellungen. Ein weiterer zentraler Aspekt des Gesprächs war die Auseinandersetzung mit internalisierter Homophobie und toxischer Männlichkeit. Viele Klient*innen von LOOKS e.V. zeigen eine innere Zerrissenheit bezüglich ihrer Sexualität. Sie identifizieren sich selbst nicht als homo- oder bisexuell, obwohl sie kommerziellen und privaten Sex mit Männern haben. Häufig käme es zu absurden Gesprächen wie „Ich bin nicht schwul“ – „Hast du nicht eben von einem Dreier mit zwei Männern erzählt?“. Diese alltäglichen Widersprüche lassen tief in die internalisierte Homophobie und toxische Männlichkeitsbilder blicken, die durch gesellschaftlichen Druck und Scham noch tief verankert sind. Die Arbeit von LOOKS e.V. zeichnet sich durch eine enge Anbindung an die Lebensrealität ihrer Zielgruppe aus. Politisches Engagement ist vorhanden, doch Priorität hat die direkte Unterstützung im Alltag.